18. Juli 2011
Geschrieben von White & Case LLP

WHITE & CASE PARTNER WARNT: „DEUTSCHEN UNTERNEHMEN DROHEN HARTE STRAFEN“

 

Frankfurt, 18. Juli 2011 –Seit Juli gilt in Großbritannien mit dem UK Bribery Act eines der schärfsten nationalen Antikorruptionsgesetze. Das Besondere dabei: Auch Unternehmen außerhalb Großbritanniens können ab sofort Ziel britischer Ermittler werden. International aufgestellte deutsche Unternehmen sind trotz der hohen Risiken bislang noch schlecht vorbereitet.

 

Jürgen D. Klengel, Partner im Bereich Wirtschaftsstrafrecht bei White & Case, im Gespräch:

 

Herr Klengel, warum sollen sich deutsche Unternehmen auf einmal für die britische Justiz interessieren?

Weil sich umgekehrt die britische Justiz bald für deutsche Unternehmen interessieren könnte. Der UK Bribery Act ist für international tätige Unternehmen hoch brisant. Nach dem neuen Gesetz machen sich Unternehmen nämlich auch für Korruptionshandlungen der mit ihnen assoziierten Personen strafbar. Zugleich wird das Gesetz über das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs hinaus angewendet. Es genügt schon, wenn Unternehmen eine sichtbare Geschäftspräsenz in Großbritannien haben, um dem Zugriff der dortigen Ermittlungsbehörden zu unterliegen. Gleichzeitig muss auch die Korruptionshandlung nicht in Großbritannien erfolgen, um geahndet zu werden. Dabei wird nicht nur die Bestechung ausländischer Amtsträger unter Strafe gestellt, sondern auch diejenige im geschäftlichen Verkehr gegenüber privaten Personen.

 

Was bedeutet das konkret?

Stellen Sie sich vor, Sie sind Logistiker mit Tochterfirmen weltweit und haben auch kleine Büros an den wichtigsten Häfen Großbritanniens. Viele tausend Kilometer von Ihrem Firmensitz und auch von Ihren UK-Büros entfernt zahlt ein Angestellter einer Ihrer Tochterfirmen Schmiergeld an Zollmitarbeiter für bevorzugte Frachtabfertigung – ohne Ihr Einverständnis natürlich. Die Nachricht von der Schmiergeldzahlung erreicht Sie vielleicht nie, der Brief der britischen Staatsanwaltschaft hingegen schon.
 

Ebenso kriminalisiert das Gesetz sogenannte „facilitation payments“. Das sind quasi Zahlungen für Dienst nach Vorschrift, die in manchen Ländern leider notwendig sind, damit überhaupt normal gearbeitet wird. Das hat mit Vorzugsbehandlung noch gar nichts zu tun. Viele Unternehmen haben nun Angst, dass bei strenger Auslegung des Gesetzes der Geschäftsbetrieb in bestimmten Teilen der Welt ohne solche Beschleunigungszahlungen nahezu unmöglich wird. Denken Sie nur an Wettbewerbsnachteile, die Unternehmen mit UK-Bezug gegenüber solchen haben, die keine Berührungspunkte mit Großbritannien haben. Sowohl das niedrige Budget für die Verfolgung unter dem UK Bribery Act als auch die Leitlinien der Behörden lassen vermuten, dass facilitation payments in Zukunft zunächst nicht oder zumindest weniger scharf geahndet werden. Laut britischer Anti-Korruptionsbehörde geht es darum, hier schrittweise auf eine Null-Toleranz-Politik zuzusteuern.

 

Mit welchen Strafen müssen Unternehmen rechnen?

Hier muss man klar sagen, dass der britische Gesetzgeber extrem übers Ziel hinausschießt, denn Unternehmen und Managern drohen harte Strafen. Neben Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren ist mit Geldstrafen in unbegrenzter Höhe und dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen alles dabei, was drakonische Strafen ausmacht. Das kann die Existenz von Unternehmen vernichten. Unklar bleiben allerdings die Kriterien, anhand derer das Strafmaß festgesetzt wird. Ob jetzt in Großbritannien ähnlich hohe Summen wie bei Verfahren in den USA erreicht werden, wird die Praxis zeigen, zu vermuten ist dies schon.

 

Wie können sich Unternehmen vor einer Strafverfolgung schützen?

Für Unternehmen besteht zunächst einmal die Möglichkeit der Exkulpation, indem sie weitgehende Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption in ihrem Unternehmen ergreifen. Das britische Justizministerium hat im März einige Richtlinien zur Auslegung der gesetzlichen Regelungen veröffentlicht. Diese beinhalten sechs Prinzipien eines effektiven Compliance-Programms. Diese sind nicht völlig neu und orientieren sich mit Elementen wie einem top level commitment oder risk assessment zunächst an den gängigen Instrumentarien.

 

Aber dann ist die Gefahr doch gebannt, oder?

Nein, denn leider sind die Richtlinien stellenweise viel zu vage und damit praktisch kaum von Nutzen. So wurde beispielsweise zur Konkretisierung des Begriffs der Geschäftsausübung ein „common sense approach“ eingeführt, also quasi eine Interpretation auf Basis des „gesunden Menschenverstandes“. Das ist klingt zwar nach Vernunft, ist aber juristisch völlig unscharf und unbrauchbar.

 

Was raten Sie also Unternehmen?

Trotz vieler Unklarheiten sollten Unternehmen in jedem Fall ihre bestehenden Compliance-Strukturen überprüfen und bestmöglich an die neuen Anforderungen anpassen. Ein Kardinalfehler wäre es jetzt, sich darauf zu verlassen, dass vorhandene Compliance-Strukturen zur Korruptionsbekämpfung ausreichen.

 

 

 

Jürgen Klengel ist Partner für Wirtschaftsstrafrecht bei White & Case und ehemaliger Staatsanwalt. Zusammen mit Charlie Monteith, einem ehemaligen Strafverfolger der britischen Anti-Korruptionsbehörde SFO (Serious Fraud Office), berät er Unternehmen u.a. in Fragen des UK Bribery Acts.

 

 

 

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