28. Oktober 2025
Geschrieben von Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB

Statement der Kanzlei Noerr zum Betriebsrenten-Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Sehr geehrte Damen und Herren,

das heutige Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Anpassung von Betriebsrenten kommentiert Dr. Philipp Zinndorf, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Noerr. Dem Urteil liegt die Klage eines ehemaligen Bankmitarbeiters über die Höhe der Anpassung seiner betrieblichen Altersversorgung zum 1. Juli 2022 zugrunde (Az. 3 AZR 24/25).

•             Dr. Philipp Zinndorf: „Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist wichtig und richtig. Zum einen führt sie zu Rechtssicherheit im Umgang mit sog. Additional-Tier-1-Anleihen im Rahmen von Betriebsrentenanpassungen. Zum anderen bestätigt sie, dass es für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens maßgeblich auf den jeweiligen Anpassungsstichtag ankommt. Spätere Abweichungen von der zum Anpassungsstichtag vorgenommenen Prognose bleiben außer Betracht, soweit sie nicht bereits zum Anpassungsstichtag auf Basis einer hinreichenden Tatsachengrundlage vorhersehbar waren. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage kommt dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum zu. Damit setzt das Urteil wichtige Leitplanken für die Anpassungsprüfung in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität und Unvorhersehbarkeit.“

•             Zum Hintergrund der Entscheidung:

Dr. Philipp Zinndorf: „Unternehmen haben alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung nicht zu, ist das Unternehmen nicht zur Anpassung verpflichtet. Maßgeblich ist, ob sich im Referenzzeitraum (3 Jahre) eine positive Entwicklung des Unternehmens abzeichnet, die eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage für die Betriebsrentenanpassung schafft. Bei der zum jeweiligen Anpassungsstichtag vom Unternehmen vorzunehmenden Beurteilung kommt diesem ein Beurteilungsspielraum zu. Grundsätzlich hat das Unternehmen darzulegen und zu beweisen, dass die vorgenommene Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und die gesetzlichen Vorgaben wahrt.“

•             Dr. Philipp Zinndorf: „Die dezidierte Urteilsbegründung bleibt abzuwarten. Sollte das BAG darin aber – wie zu erwarten – die Begründung des LAG Düsseldorf bestätigen, so hat die Entscheidung auch Auswirkungen über den Bankensektor hinaus. Im Kern wird nämlich bestätigt, dass inmitten der Corona-Krise die pandemiebedingten Negativeinflüsse berücksichtigt werden durften und nicht von einer zeitnahen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage auszugehen war. Auch wenn im Rahmen der Anpassungsprüfung stets die individuelle Lage des jeweiligen Unternehmens in den Blick zu nehmen ist, dürfte die Entscheidung für andere Unternehmen Bedeutung haben. Viele Unternehmen sehen sich aufgrund der Preissteigerungen – ausgelöst durch die Pandemie und den Krieg gegen die Ukraine – mit immensen Forderungen nach Rentensteigerungen konfrontiert. Die Entscheidung könnte vor diesem Hintergrund einen Beitrag zur Entlastung der Unternehmen liefern. Dies gilt auch bei zukünftigen externen Schocks.“

•             Dr. Philipp Zinndorf: „Wenig überraschend wurde bestätigt, dass im Rahmen der Anpassungsprüfung gemäß § 16 BetrVG, die grundsätzliche alle 3 Jahre durchzuführen ist, im Bankensektor die gleichen Maßstäbe heranzuziehen sind, wie in anderen Branchen. Entscheidend ist die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners zum Anpassungsstichtag. Grundlage für die Prognose sind grundsätzlich die letzten HGB-Jahresabschlüsse, nicht Konzern- oder IFRS-Zahlen. Entwicklungen nach dem Anpassungsstichtag sind nur zu berücksichtigen, wenn sie bereits am Stichtag hinreichend vorhersehbar waren.“

•             Dr. Philipp Zinndorf: „Einen wichtigen Aspekt für die Praxis enthält zudem die Entscheidung der Vorinstanz. Sie arbeitet klar heraus, dass es auf die wirtschaftliche Lage des zusagenden Unternehmens und nicht eines von diesem eingeschalteten Treuhänders ankommt. Dies schafft Klarheit zum Umgang mit Überschüssen und Überdotierungen in geläufigen Treuhandkonstruktionen (sog. Contractual Trust Arrangement – CTA) im Rahmen der Anpassungsprüfung. Unternehmen, die solche Systeme eingerichtet haben, sollten daher genau prüfen, ob sich das BAG in der Urteilsbegründung auch dieser Argumentation des LAG Düsseldorf anschließt.“

•             Dr. Philipp Zinndorf: „Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine fundierte Begründung und Dokumentation der Entscheidung im Rahmen der turnusmäßigen Anpassungsprüfung aufseiten der Unternehmen ist. Bei Außerachtlassung der insoweit gebotenen Sorgfalt droht u.U. die Verpflichtung Rentensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich vornehmen zu müssen (inkl. Nachzahlungen für die Vergangenheit).“

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Matthias Schulte
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