Immer mehr Arbeitnehmer und Arbeitgeber stellen sind Fragen von rechtlicher Bedeutung zum Umgang mit der Corona-Epidemie. Unser Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Björn Otto zu den wichtigsten Fragen im Umgang mit dem Corona-Virus am Arbeitsplatz:
"1. Behalten Arbeitnehmer, die mit Sars-CoV 2 infiziert sind und deshalb nicht zur Arbeit erscheinen können, ihren Anspruch auf Vergütung?
Arbeitnehmer, die infolge einer Infektion mit Sars-CoV 2 arbeitsunfähig erkranken, haben für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, d. h. der Arbeitgeber muss ihnen weiterhin ihre bisherige Vergütung zahlen. Insofern gilt für Corona-Erkrankungen dasselbe wie für andere Krankheiten.
2. Können Arbeitnehmer, die (noch) nicht krank sind, aber sich mit Sars-CoV 2 infiziert haben oder im Verdacht stehen, Virusträger zu sein, an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert werden?
Grundsätzlich ja. Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) können die zuständigen Behörden nicht nur bereits Kranken, sondern auch Krankheitsverdächtigen oder Ansteckungsverdächtigen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Auch können die Behörden anordnen, dass Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden. Hierzu kann auch die Anordnung von Hausarrest oder die Abriegelung besonders betroffener Gebiete gehören. Kommt der Betroffene einer solchen Weisung nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er ihr nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise in einem abgeschlossenen (Teil des) Krankenhaus(es) abzusondern. Über diese Freiheitsentziehung entscheidet grundsätzlich das Gericht, in dessen Bezirk die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
3. Behalten Arbeitnehmer, die unter Quarantäne stehen, ihre Vergütungsansprüche?
Je nach Art der Tätigkeit und abhängig von der Ausgestaltung ihres Arbeitsvertrags können Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung ggf. auch in Quarantäne erbringen. Dies gilt beispielsweise für Mitarbeiter, die ohnehin von zu Hause aus arbeiten oder ihre Arbeitsleistung nach Maßgabe ihres Arbeitsvertrags "remote" erbringen können. In diesem Fall behalten sie natürlich ihren regulären Anspruch auf Vergütung.
Ist dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung infolge der gegen ihn verhängten Quarantäne hingegen nicht möglich, beispielsweise weil er nur "vor Ort" im Betrieb arbeiten kann, besteht grundsätzlich kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Bezahlung. Allerdings steht dem abgesonderten Ansteckungsverdächtigen in diesem Fall nach Maßgabe des IfSG für die ersten sechs Wochen ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls bzw. des Arbeitsentgelts zu. Dauert die Quarantäne länger als sechs Wochen, wird die Entschädigung "nur" noch in Höhe des Krankengelds gewährt.
Die Entschädigung hat der Arbeitgeber auszuzahlen. Die entsprechenden Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag, der innerhalb von drei Monaten nach Ende der Absonderung zu stellen ist, von der zuständigen Behörde erstattet. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass ihm von der zuständigen Behörde ein Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbeitrags gewährt wird.
Im Ergebnis bekommen die Arbeitnehmer also auch im Fall eines quarantänebedingten Verdienstausfalls "ihr Geld". Arbeitgeber erhalten die von ihnen gewährten Entschädigungen aber nicht automatisch zurück, sondern müssen eine Erstattung fristgerecht beantragen.
4. Können Mitarbeiter verlangen, von zu Hause aus zu arbeiten, um das Risiko von Coronavirus-Infektionen zu reduzieren?
In Deutschland existiert bislang kein gesetzlich verankertes Recht des Arbeitnehmers auf Arbeit im Homeoffice. Lediglich für den öffentlichen Dienst bestimmt § 16 Abs. 1 S. 2 Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), dass der Dienstherr dem Beschäftigten einen Tele(heim)arbeitsplatz anzubieten hat, wenn dieser mit Familien- oder Pflegeaufgaben betraut ist und die Arbeit außerhalb der Dienststätte im Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten liegt.
Auch aus den zwischen den Parteien nach § 241 Abs. 2 BGB bestehenden Rücksichtnahmepflichten kann in der Regel kein Recht auf Homeoffice-Arbeit abgeleitet werden. Der Arbeitgeber kann hiernach allenfalls verpflichtet sein, im Rahmen seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen über den Wunsch nach Tele(heim)arbeit zu entscheiden.
Ein Recht auf Arbeit im Homeoffice kann allerdings aus entsprechenden Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen erwachsen. Insbesondere größere Unternehmen haben von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch gemacht und entsprechende Kollektivvereinbarungen abgeschlossen. Auch zahlreiche Tech-Firmen sowie Start-Ups bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, ganz oder teilweise von zu Hause zu arbeiten. Gerade in kleineren Unternehmen wird dem Arbeitnehmer aber oftmals kein allgemeiner Anspruch eingeräumt, sondern die Gewährung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes unter den Vorbehalt der Abstimmung im Einzelfall gestellt.
Daran ändert die aktuelle Coronavirus-Infektionswelle nichts. Eine Befugnis des Arbeitnehmers, von sich aus die Arbeit ins Homeoffice zu verlagern, lässt sich daraus nicht ableiten. Insbesondere macht die Möglichkeit einer Coronavirusinfektion die Arbeit im Betrieb nicht unzumutbar. So schätzt beispielsweise das Robert-Koch-Institut die Gefahr für die Gesundheit der deutschen Bevölkerung derzeit noch als „mäßig“ ein (Stand: 04.03.2020), und empfiehlt weiterhin eine Eindämmungsstrategie. Der Fokus liegt daher (noch) auf der Früherkennung von Infektionen und der Verhinderung einer weiteren Ausbreitung. Eine etwaige Arbeit von zu Hause sollte daher in jedem Fall mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden.
5. Können Unternehmen Mitarbeiter vorsorglich anweisen, von zu Hause aus zu arbeiten, um das Risiko von Coronavirus-Infektionen zu reduzieren?
Für Gebiete, in denen vermehrt Fälle von Sars-CoV 2-Infektionen bekannt werden, empfiehlt das Robert-Koch-Institut zwar, Arbeit im Homeoffice und Telearbeit zu ermöglichen, Arbeitnehmer freizustellen oder gar Betriebsferien anzuordnen. Gleichwohl ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht dazu befugt, Arbeit im Homeoffice einseitig anzuordnen. Vielmehr bedarf es regelmäßig einer entsprechenden Vereinbarung, auf deren Grundlage die Mitarbeiter von zu Hause arbeiten. Ob Arbeitgeber im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht ggf. verpflichtet sind, Arbeitnehmer im Fall einer Pandemie nach Hause zu schicken, bzw. Arbeitnehmer unter Treuepflichtgesichtspunkten gehalten sind, dann von zu Hause aus zu arbeiten, ist in der Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt. Grundsätzlich wird man hierfür indes zumindest eine geänderte behördliche oder ärztliche Risikoeinstufung verlangen müssen, aus der sich eine klare und erhebliche Gefährdung des Mitarbeiters bei einer Weiterarbeit vor Ort ergibt.
Sollte ein Arbeitgeber erwägen, den Betrieb wegen des Infektionsrisikos aus eigenem Entschluss (d. h. ohne behördliche Anordnung) gänzlich zu schließen und die Belegschaft einseitig freizustellen, bleibt er zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet (vgl. für witterungsbedingte Betriebsschließungen BAG v. 09.07.2008 – 5 AZR 810/07). Sinnvoller ist hier regelmäßig die Vereinbarung von Kurzarbeit oder die einvernehmliche Festlegung von Urlaub. In Betrieben mit Betriebsrat lässt sich dies allerdings nur mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter, d. h. auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung umsetzen.
6. Muss der Arbeitgeber Mitarbeitern, die zur Reduzierung des Infektionsrisikos von zu Hause aus zu arbeiten, die hierfür erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen?
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Dies gilt – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – auch dann, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung mit Blick auf das Coronavirus im Homeoffice erbringt.
7. Welche Kontrollpflichten treffen den Arbeitgeber in diesem Zusammenhang?
Auch im Homeoffice treffen den Arbeitgeber die „normalen“ Arbeitgeberpflichten. Das Coronavirus ändert daran nichts. Insofern empfiehlt es sich, die konkrete Ausgestaltung der Homeoffice-Arbeit vor Beginn der Homeoffice-Tätigkeit klar zu regeln. Üblicherweise geschieht dies im Rahmen von Betriebsvereinbarungen, in Betrieben ohne Betriebsrat sollte eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag abgeschlossen werden.
Dabei sollten u. a. die Einzelheiten zur Überlassung von Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber sowie Vorgaben zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen geregelt werden. Sicherzustellen wäre außerdem, dass der Arbeitnehmer die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes – das auch bei Arbeit im Homeoffice anwendbar ist – beachtet und seine Arbeitszeiten ggf. dokumentiert.
Darüber hinaus sollte dem Arbeitgeber ein Zutrittsrecht zur Wohnung des Arbeitnehmers eingeräumt werden, damit er (weiterhin) seinen arbeitsschutzrechtlichen (Kontroll-)Pflichten nachkommen kann. Schließlich bleibt der Arbeitgeber auch bei Arbeitsplätzen im Homeoffice insbesondere zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) verpflichtet und ist dafür verantwortlich, dass der (Bildschirm-)Arbeitsplatz des Mitarbeiters den in Nr. 6 der Anlage zur ArbStättV vorgesehenen Anforderungen entspricht."
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