Frankfurt/Main – Noch zeigen die wirtschaftlichen Parameter keine handfeste Krise an, doch die Indikatoren verschlechtern sich. Deutsche Unternehmen bereiten sich bereits auf den wirtschaftlichen Abschwung vor. Der Hunger auf Zukäufe in Unternehmen sinkt und Kostensenkungen rücken in den Fokus. Ein Indiz dafür: Corporate M&A-Verantwortliche rechnen mit deutlich mehr Carve-outs. Das ist das Ergebnis des zweiten M&A Panels in diesem Jahr, für das die internationale Wirtschaftskanzlei CMS und das Magazin FINANCE leitende Mitarbeiter aus M&A-Abteilungen deutscher Unternehmen sowie Investmentbanker und M&A-Berater anonym zu ihrer Markteinschätzung befragen.
Kostensenkung als Dealtreiber gewinnt an Bedeutung
Dass sich Unternehmen auf schwierige Zeiten einstellen, zeigt ein Blick auf die derzeit wichtigsten Dealtreiber: In Boom-Zeiten erzielen Übernahmemotive wie Wachstumsbeschleunigung, Expansion in neue Märkte oder die Übernahme von Zulieferern häufig hohe Zustimmungswerte. Die in Krisenzeiten wichtigen Indikatoren wie Kostensenkung und Konsolidierung haben an Bedeutung gewonnen: Der These, eine Marktkonsolidierung sei unverzichtbar, um künftige Krisen zu überstehen, stimmen die befragten Corporate M&A-Vertreter mit einem Wert von 6,22 zu (Frühjahrswert: 5,67; 10 = volle Zustimmung). Dennoch gilt für M&A-Professionals die Wachstumsbeschleunigung mit einem Wert von 8,07 weiterhin als wichtigster Dealtreiber. Kostensenkungen haben jedoch mit einem Wert von 6,04 den Abstand im Vergleich zur Frühjahrsumfrage deutlich verkürzt.
Carve-out-Welle rollt heran
Einher mit der gestiegenen Bedeutung von Kostensenkungen und Konsolidierungen als Dealtreiber geht, dass die befragten Unternehmensvertreter deutlich mehr Carve-outs erwarten. Zwei Drittel der Befragten rechnen mit mehr Konzerntochterabspaltungen innerhalb der kommenden zwei Jahre und somit einem leichten bis mittleren Anstieg. Von einem Rückgang geht keiner der Befragten aus, 33 Prozent erwarten keine Veränderung. Dr. Thomas Meyding, Corporate Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, beobachtet den Trend zu mehr Carve-outs in der Praxis schon länger: „Carve-outs sind en vogue: Unternehmensteile werden ausgegliedert und veräußert, Großkonzerne spalten sich auf und schaffen damit Holdingstrukturen – und das oftmals ohne akuten Transaktionsbedarf.“ Häufig gingen Carve-outs Hand in Hand mit M&A-Transaktionen, sei es, weil das Unternehmen sich von Randaktivitäten trennen möchte, Liquiditätsbedarf hat oder größere M&A-Transaktionen die Trennung von einem Geschäftsbereich erfordern oder zur Auflage haben. Erwägt ein Unternehmen die Abspaltung einer Konzerntochter, so ist laut Meyding vor allem zu beachten, dass Carve-out-Prozesse extrem komplex sind und eine solide Vorbereitung verlangen.
Konzentration auf das Kerngeschäft
Rund zwei Drittel der befragten Corporate M&A-Vertreter geben als Hauptmotivation für Konzerntochterabspaltungen einen stärkeren Fokus auf das Kerngeschäft an. 30 Prozent nennen als Grund für eine Abspaltung die geringe Profitabilität des Geschäftsteils beziehungsweise geringeres Wachstum im Vergleich zu anderen Geschäftseinheiten. Für lediglich 10 Prozent der Befragten dienen Carve-outs dazu, finanzielle Spielräume für neue Zukäufe zu schaffen. Carve-out-Prozesse werden aber nicht nur von den Unternehmen selbst angestoßen. Oftmals verlangen aktivistische Aktionäre die Trennung von einer Konzerntochter, beobachtet Dr. Thomas Meyding: „Aktivistische Aktionäre fordern, dass hochprofitable Konzerntöchter abgespalten und veräußert werden. Viele große Konzerne reagieren bereits heute auf diese Entwicklung, indem sie Holdingstrukturen schaffen und die einzelnen Sparten rechtlich verselbständigen, um für eine stürmische See gewappnet zu sein.“
Einhergehend mit der erwarteten steigenden Zahl bei Carve-outs sind Unternehmen insgesamt vorsichtiger bei ihren M&A-Aktivitäten. Auf einer Skala von 1 (1 = eindeutig Verkäufer) bis 10 (10 = eindeutig Käufer) positionieren sich die Befragten M&A-Verantwortlichen mit einem Wert von 7,53 und somit noch eindeutig als Käufer, jedoch auch erstmals seit zwei Jahren wieder unter einem Wert von 8.
Aktivität bei Automotive auf Rekordtief
Betrachtet man die befragten M&A-Berater, fällt auf, dass sie in vielen Punkten mit den Corporate M&A-Verantwortlichen übereinstimmen: Auch die Befragten aus Beratungshäusern und Investmentbanken messen im Vergleich zur Frühjahrsbefragung den Dealtreibern Kostensenkung (von 5,89 auf 6,08) und Branchenkonsolidierung (von 7,14 auf 7,58) eine steigende Bedeutung zu. Skeptisch betrachten sie vor allem zyklische Branchen wie Automotive und Maschinenbau, in denen sie zuletzt die geringste M&A-Aktivität beobachteten. Auf einer Skala von 1 bis 10 (10 = sehr aktiv) bewerten die Berater den Automobilsektor nur noch mit 4,52 (niedrigster Wert seit Februar 2011). Der Maschinenbau wird als ähnlich unbeliebt mit einem Wert von 4,73 bewertet. „Es ist wenig verwunderlich, dass in Branchen wie Automotive oder Maschinenbau die M&A-Aktivität zurückgeht“, bestätigt Dr. Oliver Wolfgramm, Corporate Partner bei CMS Deutschland, die Panel-Ergebnisse. Der Grund: Gerade Branchen, die unter starkem Innovationsdruck stehen, sehr exportorientiert sind und im Moment eine massive Umbauphase durchleben, spüren die nachlassende Aktivität am M&A-Markt, so Wolfgramm. Das eröffne aber auch Möglichkeiten für Käufer mit einem anderen Fokus: „Wir sehen auch Investoren, die in einem M&A-Umfeld mit weniger Wettbewerbsdruck Chancen erkennen.“
Sinkende Dealflow-Prognosen sowohl für Small- als auch Mit- und Large-Cap Deals
Die Zurückhaltung der Unternehmen in einigen Branchen hinterlässt erste Spuren in den Auftragsbüchern der M&A-Berater. Sie bewerten ihr aktuelles Projektaufkommen mit einem Wert von 1,25 zwar noch als leicht überdurchschnittlich (0 = durchschnittliches Projektaufkommen; Skala von -5 bis +5). Dieser Wert sinkt jedoch seit Februar 2018 kontinuierlich und befindet sich derzeit auf dem tiefsten Stand seit Herbst 2014. Den Rückgang im Dealflow spüren die befragten M&A-Berater über sämtliche Transaktionsgrößen hinweg. „Bislang scheint absehbar, dass das Jahr 2019 mit Blick auf die M&A-Aktivitäten hinter 2018 zurückbleiben wird“, schätzt Dr. Oliver Wolfgramm die gegenwärtige Situation ein. Letztlich müsse sich noch zeigen, wie sich die internationalen Krisen und Handelskonflikte, aber auch das zukünftige Verhältnis Großbritanniens zu Europa weiter auf die M&A-Aktivitäten auswirkten.
Nach den aktuell ernüchternden Erfahrungen haben die Berater auch ihre zuletzt noch sehr optimistischen Prognosen für das zukünftige Projektaufkommen gekappt: Für die kommenden drei bis acht Monate prognostizieren sie nur noch ein Projektaufkommen mit einem Wert von 1,23 und markieren damit den niedrigsten Wert seit der erstmaligen Abfrage dieses Prognoseindikators im Herbst 2014.
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