Der BGH hat am 11. Juli 2017 in einem vorläufigen Urteil die von der Vorinstanz, dem Bundespatentgericht, erteilte vorläufige Zwangslizenz für den Vertrieb des AIDS-Medikamentes Isentress® (INN Raltegravir) bestätigt. Damit kann dieser 2007 in den USA und Europa zugelassene Hemmer der Integrase des AIDS-Virus von der US-Pharmagruppe Merck & Co. (MSD) angehörigen Firmen in Deutschland weiter vertrieben werden.
Dies erlaubt MSD, trotz eines Patentes des japanischen Unternehmens Shionogi vorläufig das Medikament in Deutschland weiter auf den Markt zu bringen.
Der BGH kam zum Ergebnis, die Bemühungen der Antragstellerinnen, eine Zustimmung zur Nutzung der Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erlangen, seien unter den Umständen dieses Einzelfalls ausreichend gewesen. MSD hatte zehn Millionen Dollar für eine weltweite Lizenz geboten.
Der X. Senat des BGH bejahte auch das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Erteilung der Zwangslizenz. Nicht jeder HIV- oder AIDS-Patient sei auf das Medikament angewiesen. Doch gebe es Patientengruppen, wie Säuglinge, Kinder, Schwangere und Patienten, die bereits mit Raltegravir behandelt würden. Diesen Patientengruppen würden bei einer Umstellung auf ein anderes Medikament erhebliche Neben- und Wechselwirkungen drohen. Mit Dolutegravir und Elvitegravir gibt es zwar inzwischen zwei Konkurrenzprodukte aus der gleichen Wirkstoffklasse. Raltegravir jedoch hat sich als am besten verträglich erwiesen. Besonders vorteilhaft ist dabei, dass Raltegravir mit anderen Mitteln kaum unerwünschte Wechselwirkungen zeigt. Eine Zwangslizenz sei von öffentlichem Interesse, da nach einem Gutachten von Sachverständigen Patienten, die ohne ihre gewohnte Medikation mit Raltegravir blieben, aufgrund steigender Viruslast andere Menschen infizieren könnten.
Aus diesen Gründen, so der BGH, müsse der Vertrieb den amerikanischen Unternehmen weiterhin vorläufig gestattet werden.
Allerdings steht die Entscheidung der Klage im Hauptsacheverfahren noch aus.
Die Möglichkeit der Zwangslizenz ist in Deutschland in § 24 Absatz 1 des Patentgesetzes geregelt. Das Instrument wurde bisher kaum genutzt.