01. Dezember 2014
Geschrieben von Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB

Neue Analyse der DAX-Geschäftsberichte: Rechtliche Risiken nehmen für DAX-Konzerne immer größeren Stellenwert ein

Pressemitteilung


Neue Analyse der DAX-Geschäftsberichte: Rechtliche Risiken nehmen für DAX-Konzerne immer größeren Stellenwert ein/Regulierung größter Risikofaktor
 

  • 29 DAX-30-Unternehmen sind von regulatorischen Risiken und Risiken aus Rechtsstreitigkeiten betroffen.

  • Regulierung ist wesentlicher Risikofaktor für unternehmerische Tätigkeit.

  • Auch Wettbewerbs-, Korruptions- und Produktqualitätsrisiken belasten den Großteil der Konzerne.

  • Die Risikoberichterstattung orientiert sich an den Standards der internationalen Rechnungslegung. Vier Unternehmen machen konkrete quantitative Angaben zu den Risiken.


Düsseldorf/München, 1. Dezember 2014.


Die zunehmende Belastung der Unternehmen durch rechtliche Risiken spiegelt sich in den Geschäftsberichten der DAX-30-Unternehmen wider. Das ergibt eine neue Studie der Wirtschaftskanzlei Noerr in Zusammenarbeit mit der Baetge Analyse GmbH. Untersucht wurden die Berichte für das Geschäftsjahr 2012. So berichten die Konzerne sektorübergreifend – insgesamt sind im DAX 30 Unternehmen aus derzeit acht sogenannten Supersektoren vertreten – insbesondere über regulatorische Risiken sowie über Risiken aus Rechtsstreitigkeiten und Prozessen (in jeweils 29 von 30 Unternehmen). Über alle Sektoren hinweg sind Konzerne zudem mit Risiken im Zusammenhang mit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht (26 Unternehmen) sowie mit Korruption und Betrug (25 Unternehmen) konfrontiert. Auch von Risiken im Zusammenhang mit Mängeln der jeweiligen Produkte ist eine Mehrheit der Unternehmen betroffen (22 Unternehmen).


Andere Risiken sind kennzeichnend für bestimmte Sektoren. Von Umweltrisiken sind sechs Sektoren besonders betroffen (Konsumgüter, Rohstoffe, Industrie, Gesundheit und Pharma, IT, Telekommunikation), Patentrisiken betreffen drei Sektoren überproportional (Konsumgüter, Gesundheit und Pharma, Telekommunikation). Von Steuerrisiken berichten die DAX-Konzerne aus dem Sektor Gesundheit und Pharma.


Regulatorische Risiken im Vordergrund

Neben den Prozessrisiken stehen vor allem die regulatorischen Risiken im Fokus. „Sektorenübergreifend greifen Staat und EU in immer stärkerem Maße regulierend oder kontrollierend in das Marktgeschehen ein“, berichtet Dr. Oliver Sieg, der bei Noerr den Fachbereich Litigation gemeinsam mit Michael Molitoris leitet. Unternehmen aus der Finanzbranche etwa sind von erhöhten Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften (Basel III) betroffen, die Versicherungsunternehmen speziell vom Solvency-II-Regelwerk. Bei den Versorgern ist die regulatorische Bandbreite noch größer und reicht von nationalen Regeln zur Endlagerung für hochradioaktive Abfälle bis hin zu den Risiken aus der Regulierung von Energiehandelsgeschäften auf europäischer Ebene. „Die Regulierung erweist sich als der wesentliche Risikofaktor unternehmerischer Tätigkeit“, betont Oliver Sieg. Michael Molitoris ergänzt: „Die Fülle der in den Geschäftsberichten der DAX-Unternehmen angesprochenen regulatorischen Risiken ist besorgniserregend. Seit der Finanzkrise beobachten wir einen sich immer weiter verstärkenden Trend zur Regulierung. Dies hat in hohem Maß zu Fehl- und Überregulierungen geführt, die im Ergebnis Unternehmen in ihrer Tätigkeit über die Maßen einschränken, Wettbewerbsfähigkeit kosten und schlussendlich Wachstum und Wohlstand gefährden.“


Für Dr. Holger Schmitz, Co-Leiter des Fachbereichs Regulatory & Governmental Affairs der Kanzlei Noerr, steht fest: „Die Studienergebnisse zeigen klar, dass Unternehmen in hochregulierten Märkten mehr tun müssen, als lediglich die Gesetzeslage im Blick zu behalten. Um langfristige Investitionssicherheit zu erreichen, müssen sie auf nationaler wie europäischer Ebene eine aktive, beratende Rolle einnehmen. Die regulatorischen Fragen sind mittlerweile zu komplex, um die Vertretung unternehmerischer Interessen alleine den Verbänden zu überlassen.“


Aufarbeitung der Vergangenheit


Auch über Risiken im Zusammenhang mit Korruption und Betrug sowie dem Wettbewerbs- und Kartellrecht wird in der Mehrzahl der Geschäftsberichte sektorenübergreifend berichtet. „Alle DAX-30-Konzerne verfügen inzwischen über ausgefeilte Konzepte zur Minimierung der Risiken aus ihrer Geschäftstätigkeit und funktionierende Compliance-Management-Systeme“, sagt Michael Molitoris. „Bei einigen Unternehmen ist die Aufarbeitung von Verstößen aus der Vergangenheit aber noch in vollem Gange.“ Dies werde sich auch in den kommenden Jahren noch in den Geschäftsberichten widerspiegeln.


Zentral sind zudem die Risiken aus Mängeln der Produkte der jeweiligen Unternehmen. Darunter fallen Gewährleistungs-, Produktsicherheits- oder Produkthaftungsrisiken. Die Geschäftsberichte weisen in einzelnen Fällen erhebliche Verpflichtungen in teils hoher dreistelliger Millionenhöhe aus. „Die möglichen Schadenshöhen sind enorm, da Produkthaftungsfälle immer häufiger einen internationalen Bezug aufweisen“, erläutert Michael Molitoris.


Berichterstattung orientiert sich an Standards der internationalen Rechnungslegung


Quantifizierung und qualitative Einordnung der Risiken werfen grundsätzliche Probleme auf. „Bei der Abfassung des Geschäftsberichts muss die dem Schutz der Gläubiger und Anleger bzw. Gesellschafter dienende Transparenz ebenso beachtet werden wie das mögliche Interesse eines Unternehmens, seine rechtliche Stellung durch die Veröffentlichung nicht zu beeinträchtigen“, beschreibt Michael Molitoris das Spannungsfeld, in dem die Unternehmen agieren. Die überwiegende Mehrzahl der DAX-30-Unternehmen orientiert sich deshalb bei der Risikoberichterstattung an den für die Bilanzierung von Rückstellungen und rechtlichen Risiken relevanten Standards der internationalen Rechnungslegungsvorschriften IFRS. Nach diesen müssen unter bestimmten Umständen keine erkennbaren Angaben über Verpflichtungen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten gemacht werden.


Konkrete quantitative Angaben zu den Risiken finden sich lediglich bei den vier im DAX 30 gelisteten Kredit- und Versicherungsunternehmen. Diese sind gesetzlich verpflichtet, zu sogenannten operationellen Risiken Angaben zu machen. Vier weitere DAX-Konzerne machen qualitative Angaben zu den Rechtsrisiken. Es finden sich in den Geschäftsberichten Angaben zu den Eintrittswahrscheinlichkeiten und Schadenshöhen bzw. zu den möglichen Auswirkungen der rechtlichen Risiken.

 

„Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass die DAX-30-Unternehmen in erheblichem Maße von rechtlichen Risiken betroffen sind“, erklärt Oliver Sieg. „Seit der Finanzkrise spielen dabei regulatorische Risiken eine entscheidende Rolle.“

 

 

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Matthias Schulte
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