16. Januar 2018
Geschrieben von HEUKING

Kein „Renten-Bosman“: Mainz 05 und Heuking erstreiten Grundsatzentscheidung für befristete Spielerverträge im Mannschaftssport

Sieg für den 1. FSV Mainz 05 e. V. (Mainz 05), die Fußball-Bundesliga und alle Clubs im Profimannschaftssport: Erstmals hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 16. Januar 2018 entschieden, dass Befristungen mit Spielern im Mannschaftssport, konkret im Bundesligafußball, wirksam sind (Az.: 7 AZR 312/16). Arbeitsrechtler Dr. Johan-Michel Menke, Partner am Hamburger Standort der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, hat Mainz 05 erfolgreich durch die Berufung sowie die Revision begleitet.

Heinz Müller, Ex-Torwart des Fußball-Bundesligisten Mainz 05, hatte seinen ehemaligen Club auf Entfristung seines Anstellungsvertrags sowie auf entgangene Prämien verklagt. Die wesentliche Frage des Rechtsstreits war, ob und inwieweit Anstellungsverträge im Profisport befristet werden dürfen bzw. inwieweit ein Anspruch auf Spieleinsatz bzw. daraus erwachsene Prämienchancen besteht. Nachdem das Arbeitsgericht Mainz noch entschieden hatte, dass der Verein Müllers Vertrag zu Unrecht befristet habe (Az.: 3 Ca 1197/14), hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz die Befristung für wirksam erachtet. Die Wirksamkeit der Befristung hat das Bundesarbeitsgericht nun bestätigt und folgt der Begründung des LAG, dass die Befristung aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung im Profisport gerechtfertigt sei.

„Könnte ein Club Spielerverträge nicht befristen, so stünde er vor unlösbaren Problemen. Kündigungen sind arbeitsrechtlich kaum möglich und im Übrigen verbandsrechtlich untersagt. Das heutige Urteil schafft insoweit Rechtssicherheit für den gesamten Sport – der 1. FSV Mainz 05 e. V. und Heuking Kühn Lüer Wojtek haben Rechtsgeschichte geschrieben“, so Menke.

Der Fall hat insgesamt eine überragende Bedeutung, weil es um die grundsätzliche Zulässigkeit von befristeten Arbeitsverträgen im Berufssport, also z. B. im Bundesligafußball, Handball, Basketball ode Eishockey geht.

Hintergrund:

Müllers Vertrag war 2012 um zwei weitere Jahre verlängert worden; in der Saison 2013/14 wurde er aber ein halbes Jahr vor Ablauf des Vertrags nicht mehr für die 1. Mannschaft nominiert. Müller sah sich dadurch um Siegprämien gebracht sowie vor allem um die Chance, dass sich sein Kontakt durch eine bestimmte Anzahl von 23 Profieinsätzen automatisch ein weiteres Jahr verlängerte. Das Arbeitsgericht hatte keinen Prämienanspruch erkannt, das Arbeitsverhältnis aber als unwirksam befristet angesehen. Das LAG hatte das erstinstanzliche Urteil dann „gekippt“: Demzufolge war die Befristung durch die Eigenart der Arbeitsleistung eines Berufs-Fußballers gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Teilzeitund Befristungsgesetz (TzBfG) gerechtfertigt. Dieser Argumentation ist nun auch das BAG gefolgt: Die Kombination aus Erfolgsbezogenheit und Höchstleistungstätigkeit bringt es demnach mit sich, dass die Dauer einer Spielerkarriere zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses völlig ungewiss ist. Wie lange genau ein Spieler erfolgversprechend eingesetzt werden kann, hängt von nicht-objektivierbaren Umständen, insbesondere den gruppendynamischen im Mannschaftssport ab wie Teamzusammenstellung, Trainerwechsel, Änderung der Spieltaktik etc. Im Ergebnis stünde ein Verein bei Ausspruch einer auf unterdurchschnittliche Leistung des Spielers („Low-Performer“) gestützten Kündigung vor unbehebbaren Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten, weil eine etwaige Minderleistung in Ermangelung feststehender objektiver Kriterien und eines geeigneten Leistungsmaßstabs kaum darstellbar sind. Auch betriebsbedingte Kündigungen sind im schnelllebigen Sportwettbewerb praktisch undenkbar und demzufolge nach den internationalen und nationalen Verbandsregelungen, denen sich Clubs und Spieler unterwerfen müssen, ausgeschlossen.

Dr. Volker Baas, Aufsichtsratsmitglied von Mainz 05, der an der Verhandlung vor dem BAG in Erfurt teilnahm, äußerte sich zufrieden: „Wir freuen uns, dass das BAG unserer Argumentation gefolgt ist. Die Besonderheiten im Profifußball rechtfertigen eine Befristung. Wir von Mainz 05, seinerzeit namentlich Christian Heidel und Thomas Tuchel, sind mit Heinz Müller stets korrekt umgegangen.“

Rouven Schröder, Vorstand von Mainz 05, zeigte sich erleichtert: „Mainz 05 ist ständig bestrebt, den Spielerkader durch junge Nachwuchsspieler aufzufrischen, wie zuletzt mit Torwart-Talent Florian Müller geschehen. Renten-Verträge älterer Spieler würden dieses Nachrücken unmöglich bzw. nicht finanzierbar machen.“

Im Vorfeld war der Fall Müllers deshalb bisweilen mit dem des Spielers Jean-Marc Bosman aus dem Jahr 1995 verglichen worden. Damals entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Profifußballer nach Ablauf ihres Vertrags ablösefrei wechseln dürfen, was die Transfergepflogenheiten substanziell veränderte. Eine Vorlage an den EuGH war vorliegend nicht notwendig, weil die abstrakte Frage, ob wegen der Eigenart der Arbeitsleistung eine Einzelfallprüfung notwendig sei, bereits an anderer Stelle beantwortet wurde (BAG vom 02. August 2017 – 7 AZR 601/15). Mit Blick auf das unauflösbare Gegenüberstehen unvermittelbarer subjektiver Standpunkte zog das BAG, wie die Vorinstanz, die Parallele zum Bühnenbereich. Hier wie da ist eine Befristung der Bühnenkünstler bzw. Sportler gerechtfertigt, auch in deren eigenem Interesse, weil nur durch die Befristungen auch Arbeitsplätze an anderen Bühnen bzw. bei anderen Vereinen frei werden. In beiden Fällen handelt es sich um einen kleinen, speziell regulierten Arbeitsmarkt mit begrenztem Zugang. Wie Jürgen Paepke, DFL-Direktor Recht sowie Mitglied der Geschäftsleitung, bestätigte, sind im Bereich der Bundesliga nur ca. 1000 Lizenzspieler aktiv, was den Ausnahmecharakter unterstreicht.

Die Argumente der Revision lehnte das BAG mit dem Vortrag von Mainz 05 ab: Der Gesetzeswortlaut verlange nicht, dass der Arbeitgeber wie im Bühnenbereich durch ein Grundrecht geschützt sei. Vielmehr sehe die Gesetzesbegründung zum TzBfG ausdrücklich die richterliche Rechtsfortbildung vor, was der offene Begriff „Eigenart der Arbeitsleistung“ unterstreiche. Mainz 05 wies im Übrigen darauf hin, dass der Sport europarechtlich und in der Landesverfassung Rheinland-Pfalz, genauso wie das künstlerische Schaffen, geschützt sei. Nach der Europäischen Union als „Sinnstifter“ des TzBfG verfolge der Sport politische, kulturelle, erzieherische, wissenschaftliche und nicht zuletzt künstlerische Zwecke (so etwa die Bernard-Entscheidung des EuGH aus 2010). Auch Artikel 165 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sehe die Förderung des Sports vor. Zusätzlich berief sich Mainz 05 auf die Vereinsfreiheit in Artikel 9 GG bzw. Artikel 2 GG (Ausübung des satzungsgemäßen Zwecks der Nachwuchsförderung). Ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sei abwegig, weil keine Altersdiskriminierung vorliege; es fehle schon an einer altersabhängigen Ungleichbehandlung, weil ausnahmslos alle Spielerverträge – mit Spielern jeden Alters – befristet würden.

Auch die weiteren Anträge von Heinz Müller auf entgangene Prämienzahlung bzw. – hilfsweise – Verlängerung seines Vertrags wegen angeblich treuwidriger Verhinderung der Spieleinsätze, lehnte das BAG ab. Mainz 05 hatte insoweit insbesondere auf die Rechtsprechung des BAG vom 22. August 1984 (5 AZR 539) verwiesen, wonach es keinen Anspruch eines Spielers auf Teilnahme am Spiel, sondern nur auf die Teilnahme am Training gebe. Aus der „Chance“ auf Spieleinsatz, die im freien Ermessen eines Trainers liege, könne der Kläger keine Ansprüche herleiten. Insoweit steht das jetzige Urteil des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts auch im Einklang mit einer Entscheidung des Achten Senats des BAG vom 25. April 2013 (8 AZR 453/12): Bei einem auf vier Jahre befristet abgeschlossenen Vertrag sah das BAG nicht nur die Befristung, sondern auch eine – nur einseitig vereinsseitig eingeräumte – Verlängerungsoption als wirksam an.

Vertreter Mainz 05
Heuking Kühn Lüer Wojtek:

Dr. Johan-Michel Menke, LL.M. (Hamburg)

Vertreter Heinz Müller
Horst Kletke (Frankfurt)

Bundesarbeitsgericht, Siebter Senat
Edith Gräfl (Vorsitzende Richterin)
Prof. Dr. Heinrich Kiel (Beisitzender Richter, Berichterstatter)
Dr. Maren Rennpferdt (Beisitzende Richterin)

Der Hamburger Heuking-Partner Menke wurde auf Empfehlung der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH von Mainz 05 nach dem – teilweise negativen – erstinstanzlichen Urteil mandatiert und begleitete den Club sowohl durch die erfolgreiche Berufung als auch nun durch die erfreuliche Revision.

Auf der Seite des Ex-Torwarts Heinz Müller begleitete der Frankfurter Einzelanwalt Horst Kletke das Verfahren von Beginn an. Sowohl Menke als auch Kletke sind aus dem Markt bekannt: Menke, weil er insbesondere die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH oder den DFB Deutscher Fußball-Bund e. V. sowie diverse Bundesligaclubs insbesondere sport- und arbeitsrechtlich berät und vertritt; Kletke, weil er häufig auch auf Seiten von Spielern und Trainern tätig wird.

Für weitere Informationen:
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Heuking Kühn Lüer Wojtek ist mit mehr als 300 fachlich spezialisierten Rechtsanwälten, Steuerberatern und Notaren an insgesamt zehn Standorten vertreten. Die Kanzlei ist gemäß Juve Umsatzranking 10/2016 eine der zehn umsatzstärksten Rechtsanwaltskanzleien in Deutschland. Zu den nationalen und internationalen Mandanten zählen mittelständische und große Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung ebenso wie Verbände, öffentliche Körperschaften und anspruchsvolle Privatklienten

 

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